Wer nach Istanbul kommt, verliebt sich unweigerlich in die pulsierende Metropole am Bosporus. Die einzigartige Stadt erstreckt sich über zwei Kontinente und birgt großartige Kulturschätze in sich. Einer unserer sonnenklar.TV Urlauber hat sich auf den Weg in die türkische Hauptstadt gemacht. Was er dort erlebt hat, erzählt er euch in seinem Reisebericht.
Noch döst die Millionenstadt. Erst nach dem Ruf des Muezzins beginnt sich das Leben zu regen – alles ohne Hast. Rasselnd werden die Gitter vor den Geschäften zur Seite geschoben, Obst und Gemüse vor die Tür gestellt. Nur die allgegenwärtigen Tauben sind auf Futtersuche.
Kurze Zeit später an der Galata-Brücke herrscht bereits geordnetes Chaos. An den Fähren zur asiatischen Seite bilden sich Trauben von Menschen. Und wer zu spät kommt, springt noch in letzter Sekunde vom Kai aufs Schiff. Fußgänger drängen sich an Lotterielosverkäufern vorbei, dazwischen die Schuhputzer mit ihren blitzenden Putzkästen, aus denen sie Cremes, Tinkturen und Lappen hervorkramen. Nach wenigen Minuten sehen die Schuhe ladenneu aus. Gelbe Taxen jagen nach Kundschaft. Auf der Brücke staut sich der Verkehr – Stoßstange an Stoßstange.
Istanbul vom Wasser aus betrachtet
Der Bosporus trennt und verbindet. Ruhiger wird es erst an Bord eines der Ausflugsdampfer. Morgens sind es nur wenige Urlauber, die einen Ausflug gebucht haben und ich bin unter ihnen. Gleichmäßig tuckert der Dieselmotor, und der Bug dreht sich in Richtung Bosporus. Die Wasserstraße, die Europa von Asien trennt, ist 31 Kilometer lang. Die beiden Kontinente sind an der breitesten Stelle vier Kilometer und an der schmalsten Stelle 700 Meter voneinander entfernt. Gemütlich fährt das Schiff im Zickzack, weicht einem kleinen Ruderboot aus, lässt einer Fähre die Vorfahrt. Unvergleichlich ist der Blick auf die Silhouette der Stadt.

Hoch über den Häusern sieht man die Kuppeln der Moscheen und Minarette. Wie Nadeln ragen sie in den blauen Himmel. Auf der asiatischen Seite scheint die Stadt die Hügel hinaufzuklettern. Überall leuchten rosa blühende Bäume zwischen den Häusern – Farbtupfer der Natur im Häuserwirrwarr. Die am Ufer stehenden Paläste, aufwendig restauriert, gehören heute bekannten Hotelketten.
Die Fahrt geht weiter unter der Bosporus-Brücke hindurch, die eine der längsten Hängebrücken der Welt ist. Wer möchte, wirft ein Paar Schuhe rückwärts über Bord. Es handelt sich um einen Brauch mit dem Wunsch nach Wiederkehr.
Kurz vor dem Schwarzen Meer kehrt das Schiff um. Am Ufer erheben sich zwei trutzige Festungen. Auf der asiatischen Seite ist es die Anadolu Hisari, das europäische Ufer bewacht die Rumeli Hisari. Von beiden Burgen aus wurde der Schiffsverkehr zum und vom Schwarzen Meer kontrolliert. Rumeli Hisari dient heute friedlichen Zwecken. In den Sommermonaten finden hier Freiluftkonzerte statt.

Allerorten geschäftiges Treiben
Sobald das Schiff wieder anlegt, ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Mittlerweile gleicht die Stadt einem aus der Ruhe gebrachten Ameisenhügel. Am Kai verkaufen Fischer fangfrischen, gegrillten Fisch – eine köstliche Alternative zum Döner. Fliegende Händler bieten allerhand Krimskrams an, der Hit sind Socken mit dem bekannten Krokodil. Kellner versuchen, laut rufend Passanten in ihr Café zu locken. Redner halten gestenreich Vorträge an den Straßenecken. Was vom Schiff aus zu sehen war, schaue ich mir wenig später aus der Nähe genauer an. Dafür muss ich mir aber Zeit nehmen. Und zwar am besten reichlich.
Fast die ganze Front zum Wasser nimmt der Topkapi-Palast ein. Er ist der Inbegriff von orientalischem Luxus und Quelle vieler Legenden und Gerüchte. Gedämpfter ist dagegen die Stimmung in den Moscheen. Wohl das bekannteste Bauwerk byzantinischer Kunst ist die Hagia Sophia. Geplant und gebaut als Kirche, ist sie nach ihrer Nutzung als Moschee heute ein Museum.
Zwei weitere Moscheen beherrschen die Silhouette von Istanbul. Sinan, Architekt der Osmanen, schuf die Süleyman-Moschee. Stolz thront sie auf dem Hügel. Die mächtige Kuppel wird von vier Pfeilern getragen, gefiltertes Licht taucht das Innere in ein Halbdunkel. Die berühmteste Moschee der Stadt ist die Sultan-Ahmed-Moschee (Blaue Moschee). Ihren Namen erhielt sie von den blauen und grünen Kacheln, mit denen der Innenraum ausgestaltet ist. Sie ist die einzige Moschee mit sechs Minaretten.

Der Basar Istanbuls: Ein Hauch von Orient
Aber was wäre Istanbul ohne einen Basarbesuch? Es wartet der größte überdachte Basar der Welt darauf, wenigstens teilweise von mir erkundet zu werden. Unüberschaubar ist das Angebot an Kleidung, Keramik, Lederwaren, Teppichen und Schmuck.

Direkt am Goldenen Horn liegt der Ägyptische Basar. Der Zweitname verrät, womit hier hauptsächlich gehandelt wird – mit Gewürzen. Es ist eine regelrechte Farb- und Duftorgie, die einen umgibt. Eine Ruhepause in einer der Teestuben im ersten Stock des Basars wirkt wahre Wunder. Der Blick aus dem Fenster zur Galata-Brücke entschädigt für die schmerzenden Füße.
Im Hamam: Reinheit für Körper und Seele
Das orientalische Badehaus blickt auf eine lange Tradition zurück. Es ist ein Treffpunkt zum Baden und Massieren, zum Plaudern und Entspannen. Bereits seit 800 Jahren ist die Badekultur lebendig. Unter der Herrschaft der Osmanen wurden überall Badehäuser eröffnet. Die strengen Gesetze des Islam verlangten Sauberkeit beim Gebet. Schnell wurde aus der nützlichen Einrichtung ein Treffpunkt, wo der Alltag vergessen werden konnte. Gedämpftes Licht, warmes Wasser und Massagen lassen in der heutigen schnelllebigen Zeit die Hektik verblassen und sorgen für eine entspannende Atmosphäre.
Gleich am Eingang stapeln sich die Pestemals, die rot-weiß karierten Wickeltücher. Im Umkleideraum plätschert leise Wasser und stimmt mich ein auf die folgenden Stunden der Ruhe und Entspannung.
Nach der Reinigung mit einer Olivenseife geht es in den Hararet. Eine hohe Kuppel wölbt sich über den Schwitzraum. Aus Öffnungen in der Decke fällt das Licht gebündelt ins Innere, malt kleine Kreise auf den Boden. Der Rest des Raumes versinkt in schummrigem Dämmerlicht.
In der Mitte des Raumes steht der Nabelstein, die Arbeitsstätte des Tellak (Männer) oder der Natr (Frauen). Ihre Massage ist nicht gerade sanft. Mit einem Rosshaarhandschuh wird gerubbelt, was das Zeug hält. Es ist zwar ein Peeling, das es aber in sich hat. Eine Pause gibt es nur, wenn mit Wasser alles abgewaschen wird. Der Tellak gibt erst Ruhe, wenn das letzte Fitzelchen alter Haut abgerieben ist.

Anschließend verschwindet der Körper unter einem Berg von Seifenschaum – das ist der Auftakt zur Massage. Es wird geknetet, gedrückt, gewalkt. Eingerostete Gelenke knacken. Das Lächeln des Tellak ähnelt eher einem teuflischen Grinsen. Wurde die Vorderseite gründlich bearbeitet, kommt der Rücken an die Reihe. Die Frage ist: Warum tue ich mir das an?
Nach überstandener Massage sinke ich erschöpft in eine der Ruhenischen. Müdigkeit macht sich bemerkbar, die Gedanken gehen auf Reise. Nach einer Dusche kehren die Lebensgeister zurück. Und zum Erstaunen, die Massage hat Wunder gewirkt. Ich fühle mich erfrischt und munter, wie runderneuert.
Mit einem trockenen Pestemal und warmen Handtüchern geht es in den dritten Raum, den Sogukluk. Eingehüllt in warme Tücher und Tee schlürfend steigt die Vorfreude, die quirlige Großstadt weiter zu erkunden. Aber davon ein andermal mehr.